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Herz & Seele | Wann haben wir verlernt, einander zuzuhören?

31. Januar 2024

Seit ich bewusster darauf achte, fällt es mir noch mehr auf. Wir hören einander selten wirklich zu. Ist das eventuell nur eine subjektive Wahrnehmung?

Einander Zuhören können und es auch wirklich wollen, das Thema beschäftigt mich schon so lange, es muss jetzt mal raus. Mein Blog, meine persönlichen sehr ehrlichen Gedanken, und ich freue mich, wenn ihr kurz zuhört und mir im besten Fall auch ein Feedback dazu gebt.

Wer aufmerksam eigene Gespräche oder die zwischen anderen Menschen verfolgt, kann unschwer feststellen, wie wenig Menschen in Gesprächen wirklich zuhören können. Und ich nehme mich davon nicht aus!

Kennt ihr auch Menschen in eurem Umfeld, die auf alles was ihr sagt, erstmal ein:

  • das hatte ich auch schon mal…

oder auch immer gerne:

  • ich kenne den Cousin meiner Friseuse, der Nachbar von dem hatte das auch …..

Es nervt. Verletzt sogar manchmal.

Und macht auf mich den Eindruck, als wäre der Andere schon während der Hälfte meiner Worte damit beschäftigt, wie er darauf antwortet und das Gespräch so auch auf sich selbst lenkt. Vielleicht sogar nur unbewusst, ich unterstelle niemandem eine böse Absicht dabei.

Manchmal merkt man schon am Gesichtsausdruck des Anderen dessen geistige Abwesenheit. Auch bei sich selbst kann man feststellen, dass man beim Sprechen des Gegenübers oft nur auf ein Stichwort wartet, um seinen eigenen Gesprächsbeitrag – entweder gleich oder später – anzubringen. Die Regel ist inzwischen (so empfinde ich es), dass man selbst oder Andere einen unterbrechen, um etwas richtigzustellen, zu kritisieren, zu bewerten.

Ich ertappe mich manchmal selbst dabei, und möchte es in meinem eigenen Verhalten von Zuhören unbedingt ändern.

Zuhören Blogbeitrag

Doch Gespräche zum Austausch von Meinungen und unterschiedlicher Standpunkte sind enorm wichtig – in beruflichen wie privaten Beziehungen. Geteilte Freude kann schöner sein, wenn man jemandem etwas Schönes begeistert erzählt. Und wenn ich Sorgen oder Probleme habe, ist es wichtig, jemandem zum Zuhören zu haben.

Jeder kennt zum Glück auch Situationen, wo ein anderer tatsächlich zuhört, den Gesprächsfaden aufgreift und vertieft, sich wirklich interessiert für den anderen. Wie wohltuend, wie bereichernd für beide Seiten – und wie selten.

In Talkshows fällt immer wieder auf, dass viele Gäste gar nicht auf die Frage des Moderators antworten, sondern eine vorher zurechtgelegte Antwort loswerden wollen. Diese Theorie kann man auch auf die Politiker anwenden, die anscheinend ihren Wählern oder der Basis überhaupt nicht mehr zuhören. Selbst ihren eigenen Leuten in der Partei hören Spitzenpolitiker “da oben” nicht mehr zu, das wurde mir neulich von der Ortsverbandsvorsitzenden einer demokratischen Partei bestätigt.

Ich habe online ein wenig recherchiert und einiges an Erklärungen und  guten Tipps gefunden, die ich gerne mit euch teilen möchte.

Vor allem habe ich diese Gedanken aber zusammengeschrieben, um auch mein eigenes Verhalten besser reflektieren zu können und daran zu arbeiten.

Warum ist Zuhören so schwierig?

Hierzu einige Überlegungen, was beim Zuhören alles berührt wird und welche Fähigkeiten es erfordert.

Im Gespräch begegnen wir der Welt des anderen, genauer gesagt, seinem Bild – seiner Landkarte – von der Welt, das er sich zu einem bestimmten Thema gemacht hat. Heute bewegen wir uns ja auch oft in Bubbles, irgendwelchen Blasen, die zum Teil sogar durch Algorithmen bestimmt werden.

Dass dies nur die Landkarte über ein Stück Welt, jedoch nicht die Wirklichkeit an sich darstellt, ist den meisten Menschen nicht bewusst. Deshalb verteidigen sie ihre Landkarte auch mit passenden Argumenten, mit zum Teil heftigen Gefühlen und entsprechenden Wertungen des „Richtig“ „Falsch“, des „Gut“ und „Schlecht“.

Wenn man nun mit der eigenen Landkarte stark identifiziert ist – wie die meisten Menschen – fällt es naturgemäß schwer, einem Menschen mit einer anderen Landkarte zuzuhören, geschweige denn, sich dafür zu interessieren, wie dieser – vermutlich auch intelligente Mensch – zu einer ganz anderen Landkarte – gekommen ist. Doch das erfordert eine ziemliche Reife oder anders ausgedrückt, die Einsicht in die subjektive Beschränktheit der eigenen Sichtweise.

Doch für das wirkliche Zuhören ist genau dies erforderlich. Gelingt dies nicht – und das ist die Regel – kommt es zu gemeinsamem Monologisieren und gegenseitigen Bekämpfen des Standpunkts des anderen.

Was heißt das jetzt konkret?

Welche Fähigkeiten braucht es zum Zuhören?
Aus meiner Sicht sind es einige grundlegende Fähigkeiten:

Die Fähigkeit, die eigene Meinung zurückstellen zu können.

Also, das sehe ich ganz anders ist die Lieblingsreplik von Menschen, die zu allem, was jemand sagt, gleich ihre Meinung äußern müssen. Einem Gespräch ist dieser Reflex selten zuträglich. Denn meist bestreitet dann der eine den überwiegenden Teil des Gesprächs, weil der andere sich ärgert und zunehmend verstummt. Oder beide müssen dauernd ihre unterschiedlichen Standpunkte loswerden und kämpfen um die Worthoheit.

Die Fähigkeit, seine Meinung – zumindest eine Weile – nicht zurückstellen zu können, hängt auch mit der Angewohnheit mancher Menschen zusammen, immer recht haben zu müssen. Sie erleben das Miteinandersprechen dann nicht als eine Gelegenheit, etwas Neues zu erfahren, sondern fühlen sich schnell dominiert.

Idealerweise würde jeder zum anderen sagen: “Ich bin zwar anderer Meinung als du, aber erzähl mal, wie du darauf kommst”.

Die Fähigkeit, Unterschiede tolerieren zu können.

Unterschiede beleben das Gespräch und können zum Wissenszuwachs und Erkenntnisgewinn beider beitragen. Bereitschaft und Fähigkeit, Unterschiede in der Wahrnehmung und Interpretation von Dingen und Ereignissen tolerieren oder ertragen zu können ist eigentlich eine Kernkompetenz in der Beziehungsgestaltung und im respektvollen Umgang miteinander.

Die Fähigkeit, etwas nicht gleich verstehen zu müssen.

Auch wenn ich, während mein Gegenüber noch redet oder mir eine Nachricht schreibt, denke: “Das ist doch völlig unlogisch!“ oder „Das verstehe ich nicht, ich würde ganz anders machen”, kann das die Distanz zwischen den Gesprächsteilnehmern verstärken. Das mag für die eigene Abgrenzung wichtig sein, doch zur gegenseitigen Verständigung führt es nicht.

Erstmal nur zuhören und nachfragen kann hier hilfreich sein, denke ich. Ich schaffe es auch zu selten, das möchte ich ändern.

Die Fähigkeit, negative Wertungen zurückzustellen.

Von klein auf werden wir darauf getrimmt, Dinge, Ereignisse, andere Menschen und uns selbst zu bewerten. Gut, richtig, gesund, schlecht, pfui, unbrauchbar usw. In vielen Kontexten sind Bewertungen durchaus sinnvoll.
In einem Gespräch sind zu frühe Bewertungen meist Gesprächskiller. Sie bringen den anderen entweder dazu, seinen Standpunkt zu verteidigen und zu rechtfertigen.

Oder er zuckt zurück, wird einsilbig und verstummt womöglich ganz. So geht es mir inzwischen oft, wenn ich begeistert über etwas erzähle und mein Gesprächspartner sagt nur: “so so”. Oder auch: … “na ja, wer’s braucht, soll ja nix taugen, habe ich gehört, kann ich nix mit anfangen. …. . Solche Reaktionen kommen bei mir wie ein Holzhammer an.

Wie einfach wäre doch der Satz: “Ich spüre deine Begeisterung und möchte mehr darüber hören, auch wenn ich sie inhaltlich nicht teile”.

Wertungen tragen auch kaum etwas zum Inhalt und zur Erzählweise bei. Denn unser Gesprächspartner will uns ja etwas mitteilen, er hat selten den Wunsch nach einer Bewertung, es sei denn er fragt explizit danach.

Die Fähigkeit, möglichst wenig zu unterbrechen.

Viele Gespräche ähneln Wettkämpfen. Wer hat die besseren Argumente, wer kann den anderen übertrumpfen? Das geschieht oft, indem man den anderen unterbricht. Das ist mitunter notwendig und kann belebend wirken, doch oft leidet unter der Hitze des Gefechts der Gesprächsinhalt.

Damit sich ein Gespräch entwickeln kann – und nicht nur ein Abspulen bekannter Floskeln wird – braucht es Raum und Zeit. Es braucht Pausen, in denen beide das Gesagte und Gehörte verdauen und nachklingen lassen können. Diese Pausen kann der Sprecher nur dann machen, wenn ihm der andere diese Pause auch lässt. Je weniger man den anderen unterbricht, umso ruhiger und tiefer kann ein Gespräch werden.

Die Fähigkeit, auszudrücken, was man verstanden hat.

Für einen selbst mag es genügen, nur zuzuhören. Doch der Sprechende weiß erst mal nicht, ob Sie ihm zuhören – vor allem wenn Sie ihn nicht anschauen. Er weiß vor allem nicht, was Sie gehört bzw. was und wie Sie das Gehörte verstanden haben.

Deshalb ist es wichtig, an bestimmten Punkten dem Sprecher zurückzumelden, dass Sie zuhören – und was Sie verstanden haben. Oft geht es auch ja nicht nur darum, was gesagt wurde, sondern was gemeint wurde. Also jene Anteile des Gehörten wiederzugeben, die der Sprecher aus welchen Gründen auch immer nur angedeutet hat. Dabei handelt es sich oft um Gefühle, Überzeugungen, Werte, Bedürfnisse oder Wünsche.

Als Zuhörer könnte man fragen:

Was empfindet mein Gesprächspartner gerade?
Was ist ihm an dem, was er gerade sagt, so wichtig?
Worum geht es ihm? Was wünscht er sich?

Der Einstieg für eine Rückmeldung könnte dann heißen:
„Aha, du meinst also …“
„Dir ist also wichtig, dass…“
„Du möchtest gerne …“
„Du bist frustriert, weil…“

Wenn etwas unklar ist, könnte man sagen:
„Könnte es sein, dass …“
„Ist es möglich, dass …“
„Meinen Sie damit, dass …“

Und welche Erfahrungen habe ich sonst noch mit Zuhören gemacht?

Mit Besserwissern oder Verschwörungstheoretikern kann man nicht vernünftig reden. Da nützt auch das geduldigste Zuhören nichts.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele berufliche oder private Probleme sich von selbst erledigen, wenn man einfach mal nichts sagt und sich gegenseitig zuhört. Wir hören oft nicht um zu verstehen, sondern um zu reagieren, und das ist so schade!

Seid ihr noch hier? Es ist gleich geschafft. Wenn ihr mir bis hierher zugehört habt, freut es mich.

Wir sind uns doch einig, dass es kaum etwas Schöneres gibt, als sich verstanden zu fühlen? Und wertgeschätzt? Ich glaube, ein guter Zuhörer kann mir dieses Gefühl geben. Genauso einfach kann ich selbst etwas dafür tun, dass mein Gegenüber sich gut fühlt. Indem ich einfach zuhöre. Richtig zuhöre.

Alles Liebe

Barbara

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10 Comments

  • Reply Nina 1. Februar 2024 at 6:33

    Liebe Barbara, ein sehr guter Artikel, über den ich noch eine Zeit lang nachdenken muss.
    Bei vielen Punkten fühle ich mich “ertappt” und nicke, weil ich selbst immer wieder diese Verhaltensweisen an den Tag lege. Da werde ich deine Ideen, das zu ändern beherzigen – denn du hast Recht: Es geht nichts über ein wirklich gutes Gespräch, bei dem man sich verstanden und aufgehoben fühlt.
    Vielen Dank für die vielen Gedankenanstöße!
    Herzliche Grüße, Nina

  • Reply Christiane 1. Februar 2024 at 6:49

    Liebe Barbara,
    danke für diesen Beitrag, du hast mir damit aus der Seele gesprochen.
    Genauso empfinde ich häufig Gespräche im beruflichen und privaten Umfeld. Das hat mich zunehmend veranlasst weniger für mich wirklich wichtige Erlebnisse zu teilen. Ich suche mir meine Gesprächspartner gezielter aus, was aber auch schade ist, da gerade bei Gesprächen mit Menschen, die man nicht täglich trifft ein sehr wertvoller Austausch stattfinden kann.
    Dein Beitrag hat mich sehr nachdenklich gemacht .
    Liebe Grüße
    Christiane

  • Reply Nina_says 1. Februar 2024 at 7:32

    Liebe Barbara, vielen Dank für deine Gedanken hierzu! Einiges kann ich total nachvollziehen und ich finde auch das Bild mit der Landkarte sehr passend gewählt! Mir fällt ergänzend ein Reel ein, dass ich über verschiedene Kommunikationsstile gesehen habe, da liegt vielleicht auch der Hase im Pfeffer.
    Viel Food for thought; das hast du sehr schön geschrieben!
    Liebe Grüße
    Nina

  • Reply Annette Bernhardt 1. Februar 2024 at 7:48

    Liebe Barbara,
    danke, dass du deinen Gedanken mit uns teilst. Ich werde deinen Artikel zum Anlass nehmen wieder bewusst darauf zu achten., ob ich wirklich zuhöre. Die Gefahr in einen Art Automatismus zu verfallen ist wahrscheinlich grade in Gesprächen mit Menschen, die einem nicht so nahe stehen groß. Floskeln ab zu spulen und in die von dir beschrieben Verhaltensweise zu verfallen, schnell ein eigens Beispiel nach zu schicken, sind sicher die Dinge die am häufigsten geschehen. Dem anderen wirklich Respekt entgegen zu bringen, egal ob ich seine Meinung oder Lebensweise teile, drückt sich auch in der Art aus wie man ein Gespräch führt.
    Liebe Grüße
    Annette

  • Reply Renate Widera 1. Februar 2024 at 8:48

    Liebe Barbara, danke für diesen Artikel und Danke für deine Denkanstöße … Ja, ich ertappe mich auch beim nicht zuhören und erkenne mich auch in dem ein oder anderen Satz wieder. Ich werde den Artikel nochmals lesen und auch darüber nachdenken müssen… und versuchen es besser zu machen. Ich bemerke hin und wieder das mir Menschen aus meinem Umfeld nicht zuhören habe den Fehler aber bisher immer bei mir gesucht, ich habe eben nichts interessantes zu erzählen !!! Auf die Idee das es am zuhören der anderen liegen könnte .., darauf bin ich nicht gekommen .
    DANKE

  • Reply Lena 1. Februar 2024 at 8:50

    Hallo Barbara. Danke für Deine offenen Worte. Und ja, tatsächlich: In einigen Punkten erkenne ich mich (leider) wieder, in anderen dachte ich “oh ja, ist mir neulich selbst so passiert, war nicht schön”. Dein Beispiel mit der Landkarte war echt gut, ich werde das nochmal sacken lassen. Herzlichen Dank dafür. Liebe Grüße, Lena.

  • Reply Kristina 29 Keller 1. Februar 2024 at 9:00

    Hallo Barbara
    vielen Dank für den tollen Artikel – und die Denkanstöße – ich glaube dieses Zuhören ist im Moment wichtig und viel mehr Menschen sollten Ihn lesen und darüber nachdenken!!
    Vielen Dank Kristina

  • Reply ela 1. Februar 2024 at 14:31

    Hallo Barbara,

    du hast recht in allem, was du schreibst. Es gibt professionelle Studien zu dem Thema. Was mir in 99,9% aller Fälle allerdings fehlt, ist Zeit/Geduld und meist auch der Gesprächspartner, der mein Bemühen in der Sache auch mir gegenüber anwendet. Zu viele Leute in meinem Umfeld, die mich Tage oder Wochen von Verschwörungstheorien und anderen “Problemen” überzeugen wollen, mich AUSNÜTZEN und meine Energie verbrauchen, wenn ich nicht abblocke. – Ja, jetzt habe ich wieder von MIR gesprochen. Ich bin nun mal der Mittelpunkt in meinem Leben.
    Idealerweise könnte man sich an “bezahlte Zuhörer” also Psychiater oder dergleichen wenden.
    Dein Bericht ist EINE Sichtweise. Eine wirklich berechtigte Sichtweise (=Bewertung), aber nicht überall und jederzeit anwendbar. Trotzdem DANKE für den Denkimpuls.

    Liebe Grüße
    ela

  • Reply Catrin 2. Februar 2024 at 5:44

    Liebe Barbara,
    das ist ein ganz wunderbarer Beitrag, für den ich dir von Herzen danke. Ich selbst bin der Typ “Unterbrecher” und arbeite da gerade sehr dran. Bei mir ist es oft die Angst, zu vergessen, was ich zu dem oder dem Punkt sagen wollte. Aber du hast Recht, ich sollte es dringend lernen, besser und geduldiger zuzuhören. Im ganz engen Familienkreis habe ich bemerkt, wie wichtig das Zuhören ist und wie wichtig es ist, nicht zu bewerten.
    Liebe Grüße Catrin.

  • Reply TAC 3. Februar 2024 at 9:54

    Liebe Barbara, ich bin über einen Link bei Catrin hier gelandet.
    Da ich selbst gerade in einer Phase bin, wo ich mich selbst mehr reflektiere und neu sortiere, berührt mich dein Blogeintrag gerade sehr. Vielen Dank für die vielen Denkanstöße.
    LG von TAC

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