Ich muss jetzt was loswerden, es muss raus, und zwar hier, auf meinem Blog. Ich schreib jetzt mal einfach so weg, ohne stilistische Schnörkel, da müsst ihr nun durch.
Denn ab und zu wird es hier mal ganz ernst, wie auch im Leben.
Seit zwei bis drei Wochen gibt es kaum eine Stunde am Tag, wo ich nicht an das Thema Flüchtlinge denke.
Und nein, ich glaube nicht, dass das gröhlende dumme "Pack" aus Heidenau in Sachsen stellvertretend für unser Volk steht. Ich will es nicht glauben, auch wenn die Medien und einige dumme Menschen in sozialen Netzwerken wie Facebook mich erstarren lassen, und erschrecken.
Meine ganz persönliche erste Begegnung mit Flüchtlingen in unserem Nachbarort hat mir sowas von die Augen geöffnet!
Denn diese Menschen auf der Flucht sind schon hier, ein Teil jedenfalls, und hoffentlich finden noch viele von ihnen bei uns ein neues Zuhause.
Ich las in einer lokalen Facebook-Gruppe den Aufruf einer Frau, es wurden dringend Babysachen für eine Gruppe Flüchtlinge, die in der Turnhalle der Grundschule im Nachbarort untergebracht sind, gesucht. Spontan fragt ich meine Nachbarin, Mama von drei kleinen Jungens, die packte schnell eine Tüte zusammen.
Ich fuhr zur Schule, im Düsseldorfer Stadtteil Unterbach. Draussen vor der Turnhalle hingen Wäschestücke in den Bäumen, Waschmaschinen gibt es nicht in einer Turnhalle. Auch keine Wäscheleinen. Nur Kinderklos und Kinderduschen. In der Halle war eine Temperatur von gefühlt 50 Grad, Etagenbetten mit Tüchern verhüllt standen dicht an dicht. 80 Personen waren in der Halle untergebracht. Eine einzige Person traf ich als Ansprechpartner vor Ort vor. Nicht etwa ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, oder Dolmetscher. Nein, der Mann war Mitarbeiter der Catering-Firma, die für die Verpflegung zuständig war. Er war sehr bemüht, aber für die Situation in keinster Weise geschult.
Ich fragt spontan, was dringend gebraucht würde, und mein Sohn und ich flitzten dann in den Drogeriemarkt, um eine große Ladung Windeln und Babynahrung zu kaufen. Ohne Fleisch, und ohne tierische Gelatine, das ist wichtig. Am nächsten Tag brachte ich noch Roller, Bobby Car und ein kleines Fahrrad, Handtücher und Bettwäsche, alles gesammelt bei den Nachbarn, dorthin.
Ein Tropfen auf den heißen Stein.
Dann die Nachricht aus dem Rathaus unserer Kleinstadt Erkrath: übermorgen kommen 150 Flüchtlinge, Frauen, Kinder, Männer, hier im Ort an. Sie werden im Bürgerhaus einquartiert, einer Veranstaltungshalle. Ohne Duschen, aber mit abgetrennten Räumen für Frauen und Kinder. Nicht gut, aber besser als eine Turnhalle. Die sehr kurze Vorlaufzeit löste in der Stadt eine Welle von Hilfsbereitschaft aus. Bis tief in die Nacht wurde von Hilfsorganisationen, Verwaltungsmitarbeitern und vielen Helfern gearbeitet, Feldbetten und Schränke aufgebaut, eine provisorische Kleiderkammer für Spenden wurde in Räumen der Kirche eingerichtet, die spontane Hilfsbereitschaft der Menschen hier in der Stadt war und ist großartig.
Es fehlte dann an den einfachsten Sachen, z.B. Hygieneartikel für Frauen, die sich nicht trauten, danach zu fragen. Penatencreme. Ich bin also wieder zum Drogeriemarkt, dort steht ein älteres Ehepaar vor dem Windelregal und überlegt: "Sie haben gesagt, das kleinste Flüchtlingskind ist 6 Monate. Welche Windeln nehmen wir denn da?" Ich freue mich und denke, es hilft, und kommt direkt an. Auch wenn es nur ganz kleine Gesten sind, in unserer großen Hilflosigkeit gegenüber dieser Welle von Flucht, Vertreibung durch Krieg und Elend.
Die Kleiderschränke meiner gesamten Nachbarschaft leerten sich, ich half in der Kleiderkammer bei der Sortierung der Spenden und konnte, da ich durch meine Arbeit in der Schulmensa über ein Gesundheitszeugnis verfügte (Vorschriften über Vorschriften!) dem Team des ASB bei der Essensausgabe helfen. Brötchen mit Nutella und Aprikosenmarmelade waren bei den Gästen aus Eritrea, Syrien, dem Irak und Afganistan sehr beliebt.
Lebensmittelspenden aus der Bevölkerung werden immer wieder angeboten, leider werden sie nicht erlaubt. Es könnte ja etwas drin sein.
Wie bitte? Frage ich nichtsahnend. Ja, das sei "im Osten" vorgekommen. Unglaublich. Und armseelig. Wir gerne würden viele von uns einfach einen Kuchen backen. Verboten. Man muss vorsichtig sein. Vorschriften.
Flüchtlingsheime müssen schnell geschaffen werden, Turnhalle oder der blanke Boden draussen als Schlafplatz wie in vielen Dörfern Bayerns notgedrungen, das geht nicht! Aber dann kommt erstmal der Brandschutz, und die Bauaufsicht, und das Gesundheitsamt….alles sehr kompliziert in Deutschland. Geht wohl nicht anders, leider.
Und dann gibt es die 3-4 Blödis. Die in der örtlichen Facebookgruppe, die zur spontanen und schnellen Hilfe für Flüchtlinge eingerichtet wurde, rumstänkern. Die verschwinden aber ganz ganz schnell wieder, plattgemacht in der großen Hilfewelle. Zum Glück.
Jeder Flüchtling, der die Entscheidung gefällt hat, vor Diskriminierung, Gewalt, Krieg und auch Armut zu fliehen, sein ganzes Leben zurücklässt in der Hoffnung, für sich und seine Kinder ein besseres Leben zu erreichen, der seine Kinder bis zur totalen Erschöpfung kilometerweit getragen hat, hat soviel Mut bewiesen. Unvorstellbare Bilder verfolgen mich seit dem Drama auf Kos und seit gestern als ich Berichte aus Mazedonien gesehen habe.
Quelle/Source: Daniel Etter/ The New York Times/ Redux/ laif
Da sitze ich gestern abend vor dem Fernseher, mit Tränen in den Augen und einem Kloß im Hals. Weinende Kinder, die von Schleppern einfach ins Meer geworfen werden. Väter, die seit Wochen ihre Kinder tragen, und auf ihrem langen Weg von Syrien bis Mazedonien oder Ungarn schon unvorstellbares Grauen gesehen haben. Und dann lässt man sie nicht weiter? Die Ungarn errichten ein Bollwerk in Richtung Osten?
Das Video von Linsey Hilsum für Channel 4 zeigt die erbarmungslose Realität, mit der syrische Flüchtlinge gerade in Mazedonien konfrontiert sind, die größte Flüchtlingskatastrophe seit dem zweiten Weltkrieg!
Und Europa scheint komplett überfordert, ob die große Politik und der kleine Mensch auf der Straße.
Auf den verschiedensten Blogs wird das Thema gerade aufgegriffen, egal ob Foodblogger Stevan Paul , Bastelbloggerin Bea oder die frecherweise kritisierte Modebloggerin Dariadaria, wir Blogger nutzen unsere Reichweite gerne für diese Botschaft:
#refugeeswelcome!
Gestern las ich das hier, den Link zum Ursprungsblog habe ich leider vergessen zu speichern die Autorin möge es mir verzeihen, dass ich diese Textpassage trotzdem als Zitat bringe:
"Es mag befremdlich klingen, aber für Deutschland sind die Flüchtlinge, diese vielen jungen, zuversichtlichen, nicht selten begabten und ehrgeizigen Menschen, ein Glück. Welches Ausmaß das Glück erreichen wird, hängt jetzt von uns selbst ab: Wie herzlich heißen wir die Fremden willkommen? Wie schnell lehren wir sie, unsere Sprache zu sprechen und sich selbstbewusst unter uns zu bewegen? Wie gut bilden wir sie aus – in Schulen, Hochschulen und Betrieben? Wie entschlossen überwinden wir die Fremdheit? Gut ausgebildete und integrierte Menschen bereichern das Land. Und was könnten sie in ihrer Heimat schon lernen? Töten und Sterben."
Und wenn ihr durch Spenden helfen wollt, und ich kenne euch, ihr wollt das, dann könnt ihr das hier, auf der Blogger-Spendenplattform von better places org.
Ich bin müde und so so dankbar, dass ich in diesem Land leben darf, und das große Glück habe, jetzt in mein weiches warmes Bett zu dürfen.
In diesem Sinne
Barbara