Berlin Highlight abseits der Touristenmassen, Geschichte und Architektur am Flughafen Tempelhof

In Berlin gibt es unendlich viel zu entdecken. Bekannte touristische Highlights und Stadtteile, Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Berlin ist komplex und vielseitig, divers, bunt und bipolar. Wie einige vielleicht schon mitbekommen haben, wohnt meine Tochter seit ein paar Wochen in Berlin und ich freue mich sehr darauf, die Stadt noch weiter zu entdecken. Einige Tipps in Blogbeiträgen zu meinen früheren Besuchen in der Hauptstadt findet ihr unter dem Stichwort Berlin.

Heute möchte ich euch eins meiner absoluten Highlights zeigen, den Flughafen Tempelhof habe ich bereits zum zweiten Mal besucht. Weil mich besonders das Kapitel Zeitgeschichte interessiert, das sich hier abgespielt hat und um das sich viele Legenden und Geheimnisse ranken. Weil es tolle und super interessante Führungen gibt und es ein unfassbar großes und eindrucksvolles denkmalgeschütztes Gebäude mit 300.000 Quadratmetern und fast einem Kilometer Länge ist. Der in der Zeit des Nationalsozialismus geplante und fast fertiggestellte Flughafen Berlin-Tempelhof sollte als „Weltflughafen“ dem damals neuesten Stand des Flughafenbaus entsprechen, zugleich aber auch der propagandistischen Selbstdarstellung des NS-Regimes dienen.

Im Größenwahn der Nazis einst zum größten Gebäude Europas erbaut und somit eines der spektakulärsten Gebäude der Welt, ist ein Besuch durch den stillgelegten Flughafen im Rahmen einer Tour die beste Möglichkeit für Einblicke in die noch heute sichtbaren Spuren der Geschichte – die Nutzung während der Zeit des Nationalsozialismus sowie der US Air Force ab 1945 mit Geheimdienstaktivitäten während des Kalten Krieges.

Es gibt verschiedene Führungen, wir haben 2019 die Führung “Mythos Tempelhof” und letzte Woche die Führung “Verborgene Orte” gemacht.

Hier der Blick von aussen, vom ehemaligen Flugfeld, das jetzt als gigantische Naherholungsgebiet Tempelhofer Feld genutzt wird..

Der Flughafen Tempelhof ist gut mit der U-Bahn zu erreichen, am besten fährt man zur Station Platz der Luftbrücke.

Der gesamte viereinhalb Meter hohe Adlerkörper, von dem jetzt nur noch der Kopf auf dem Eagle Square genannten Vorplatz übrig ist, diente Sowjets als Kulisse für Siegesfotos. Reiste körperlos von Berlin über den Atlantik und wieder zurück. Lag zwischendurch jahrzehntelang in einem Museumskeller herum und kam erst durch die private Neugier eines jungen US-Offiziers auf seinen Ehrenplatz am Rande des Flughafen-Vorplatzes.

1962 wurde die Skulptur auf dem Dach des Flughafens zerlegt und entsorgt, bis auf den Kopf, der in das Museum der US-Militärakademie West Point, New York geflogen wurde. Allerdings hatte man keine wirkliche Verwendung für den Kopf und lagerte ihn im Depot ein.

David Luders, einst Leutnant bei der U.S. Air Force in Tempelhof forschte nach dem Kopf. Er hatte sich gewundert, dass es zum „Eagle Square“, wie die Amerikaner den Vorplatz des Flughafens nannten gar keinen „Eagle“ gab. Er fand schnell zahlreiche Mitstreiter unter seinen amerikanischen Kameraden und organisierte eine Rückholaktion. Ende 1984 war der Adlerkopf zurück in Berlin, 1985 wurde er wieder enthüllt – feierlich und mit allen militärischen Ehren.

Geschichten wie diese erfährt man im Rahmen der geführten Touren, das machte sie für uns besonders spannend, kurzweilig und interessant.

Führung Mythos Tempelhof

Wir haben uns bei der “Mythos Tempelhof Tour” keine Sekunde gelangweilt. Viele der Führer haben selbst am Flughafen gearbeitet und kennen das Gebäude und viele Geschichten und Mythen in- und auswendig.

Die Mythos Tempelhof Tour führt außer in die große Abfertigungshalle auch in das ehemalige Restaurant, die Basketball-Halle der Amerikaner, die Luftschutzbunker unter der Erde, die Hangars und Nebengebäude.

Die ehemalige Abfertigungs- und Ankunftshalle zeigt gut die Mischung aus Nazi-Architektur und 60er Jahre Design, das sich durch den gesamten Gebäudekomplex zieht. Man stelle sich vor, ein Gepäckband (rechts im Foto) für den gesamten Flughafen, heute undenkbar. Der Flughafen Tempelhof war übrigens bis 2008 in Betrieb, bis er von endgültig Tegel und dann vom BER abgelöst wurde.

Zu Fuß ging es damals über diese Treppen zu den Flugzeugen. Ein alter “Rosinenbomber” steht dort heute als eine Art Mahnmal für die Luftbrücke. Die Geschichte der Luftbrücke wird in der Führung anschaulich erzählt, genau wie der weitere Ausbau des Flughafens durch die Amerikaner nach dem Krieg. Die US Air Force nutzte einen Teil des Komplexes als Tempelhof Air Base.

Die US-Streitkräfte hatten zeitweise bis zu 1000 Leute hier stationiert. Es gab Restaurants, eine Bowlingbahn, ein Kino, Geschäfte und einen Basketballplatz im 6. Stock des Gebäudes.

Ausserdem befinden sich im 5. Stock die fensterlosen und hermetisch durch Kupferdach abgeschirmten Räume der Abhöreinheit des US-Geheimdienstes. Stichwort Kalter Krieg. Alles wurde abgehört, ähnlich wie es die ehemalige Staatssicherheit im Osten Berlins praktizierte. Gruselig.

Der Flughafen Tempelhof wurde und wird häufig für Filmaufnahmen genutzt. Diese Räume dienten mal als Polizei-Kommissariat und hatten zum Beispiel Schilder wie “Mordkommission” an den Türen, es sah auch so aus wie eine 70er Jahre Filmkulisse.

Der Eingang zum ehemaligen Airport Restaurant. Der Denkmalschutz hat zum Glück dafür gesorgt, dass vieles im Originalzustand erhalten ist.

Die ehemalige Eingangshalle des Flughafens. Die Säulen rechts und links im typischen Design des neoklassizistische Baus, der erstmals alle Anforderungen eines modernen Großflughafens vereinte. Charakteristisch für die Architektur des Flughafens Tempelhof ist die Ambivalenz von Monumentalität und Moderne. Er war zum Zeitpunkt der Entstehung in den 1930er Jahren als Flughafen einzigartig und ist in zahlreichen Bestandteilen Vorbild für moderne Flughafenanlagen geworden. Die hier zu sehende Decke wurde aus besonderen Gründen erst in den späteren Jahren eingezogen.

Im April 1945 besetzte zunächst die sowjetische Armee den Flughafen Tempelhof, die ihn im Juli an die amerikanischen Alliierten übergab. Erst dann wurde der Flugverkehr in den nicht wesentlich beschädigten und nun schrittweise ausgebauten neuen Flughafen-Anlagen aufgenommen. Die ursprüngliche Eingangshalle wird noch immer restauriert und sah eigentlich so aus. Also wurde im Prinzip später nur der untere Bereich unter der abgehängte Decke (jetzt der Fußboden dieser monumentalen Halle) genutzt.

Die beiden Touren, die wir gemacht haben, überschneiden sich in manchen Teilen, unterscheiden sich aber trotzdem erheblich im Schwerpunkt. Bisher habe ich euch hauptsächlich Teile der Mythos Tour gezeigt.

Flughafen Tempelhof  Tour “Verborgene Orte”

Bei der Führung “Verborgene Orte” wird mit dem Guide zusammen hauptsächlich das weitläufige System von Kellerräumen und Tunneln erkundet. Der Flughafenbau wurde im Zweiten Weltkrieg für auch Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit genutzt. Und als Luftschutzbunker.

Heute werden Teile des Gebäudekomplexes zusätzlich auch von Firmen, Büros, große Events und als Hauptquartier der Berliner Polizei genutzt.

In den Tiefen befand sich im Krieg ein geheimes Archiv der Nazis. Die Räume des bei Kriegsende ausgebrannte Filmbunkers geben bis heute Rätsel auf. Unter einer dicken Betondecke waren hier anscheinend Tausende von zur Spionage angefertigten Luftaufnahmen gelagert. Die Bunker wurden erst spät und zufällig entdeckt und niemand weiß genau, was sich hier tatsächlich abgespielt hat.

Der Flughafen Tempelhof wurde (ein Schelm wer Böses dabei denkt) von dem Bombardierungen der US-Luftwaffe weitgehend verschont. Aber dann von den Sowjet-Streitkräften besetzt, die sicher nicht pfleglich nicht mit dem Gebäude umgegangen sind, bevor sie es im Rahmen des Vier-Mächte-Abkommens an die Amerikaner übergeben mussten.

Die Räume der noch tiefer liegenden Luftschutzbunker waren mit 50 Quadratzentimeter pro Person geplant. Die Zahl der Personen, die sich laut Berichten von Zeitzeugen bei Luftangriffen dort aufhielten, betrug meist das dreifache. Unglaublich beklemmend auch die Ventile zum CO2 Austausch, die alle 15 Minuten kurz geöffnet wurden.

Unvollendet blieben die Treppentürme, die als Zugänge für die auf dem Dach der Anlage geplanten Tribünen für mehr als 80.000 Zuschauer dienen sollten. Unter anderem bei den von Hitler geforderten Flugschauen der Luftwaffe. Die eindrucksvollen Stahlkonstruktionen unter dem Dach lassen ahnen, wie unglaublich aufwändig der Bau geplant war. Man sieht von hier oben ganz unten die spätere Abflug- und Ankunftshalle.

Der Ausblick ist auch nicht schlecht, denn Tempelhof liegt auf einem kleinen Berg. Übrigens geht der Ortsname auf einem alten Versammlungsort der Tempelritter zurück, der hier angesiedelt war.

2011 erhielt das Gebäude übrigens die Auszeichnung: Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst.

Wie erwähnt fanden hier auch viele Dreharbeiten für Film und Fernsehen statt. Billy Wilders Klassiker „Eins, Zwei, Drei“ machte 1961 den Anfang. Tom Hanks ” Bridge of Spies” haben wir abends nach der Tour dann direkt geschaut haben. Für den Film „Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 2“ aus dem Jahr 2015 dient der Flughafen für eine atemberaubende Kulisse. Auch Tom Cruise war als Graf Stauffenberg in “Operation Walküre” schon hier, und  “Die Bourne Verschwörung” wurde zum Teil hier gedreht.

Ich kann euch beide Touren wirklich absolut empfehlen.Die Guides präsentieren so viele Insights und Geschichten, es ist faszinierend. Wenn ich mich für nur eine Tour entscheiden müsste, würde ich wahrscheinlich die “Mythos Tempelhof Tour” wählen