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Herz & Seele | No diversity, und gibt es Rassismus in der Scrapbooking-Szene?

19. November 2020

Der Titel ist ein wenig provozierend, das gebe ich zu. Aber nicht aus der Luft gegriffen, denn nachdem ich im Sommer als Anstoß einen bestimmten Podcast gehört hatte, recherchierte ich ein wenig zum Thema Rassismus im Zusammenhang mit Scrapbooking. Und fand wirklich interessante Hintergrundinformationen.

Aus diesem Grund gibt es heute einen kleinen Exkurs in die Vergangenheit, es wird ein wenig politisch und ich bin erstaunt, wie mich das Thema bewegt oder auch aufregt. Nein, Scrapbooking ist nicht einfach nur Basteln, sondern es steckt hmmmm… wie soll ich es nennen, eine Philosophie, ein Lifestyle, eine Passion, eine Einstellung zum Leben oder so etwas dahinter. Jedenfalls bei vielen, die das wunderbare Hobby länger und intensiver begleitet.

Blogger Pad Thema Rassismus

Ansatzweise habe ich das Thema zur Geschichte des Scrapbooking bereits erwähnt. Oder dass Scrapbooking manchmal einen christlichen Zusammenhang hat. Der verlinkte Beitrag ist allerdings elf Jahre alt, seitdem hat sich wieder vieles entwickelt. Heute sind als Beispiel superschöne Journals mit Bible Journaling ganz angesagt. Der Ursprung des Scrapbooking liegt im sehr konservativen, weißen und überwiegend von Mormonen religiös geprägten US Bundesstaat Utah. Die ersten Firmen und Hersteller von Scrapbooking Produkten entwickelten sich dort und im ebenfalls sehr konservativen Minnesota. Branchenführer wie StampinUp und American Crafts und andere sind beispielsweise in Utah ansässig. Die Mormonen hatten bis in die späten 1970er Jahre Vorbehalte gegen farbige Mitglieder der Gemeinde, erst 1978 konnten schwarze Männer Priester werden. Ich maße mir dazu kein Urteil an, das sind nur Tatsachen.

Diversität im Scrapbooking? Fehlanzeige. Rassismus schon eher …

Damit schlage ich den Bogen wieder zurück zur Überschrift. Ich hörte Ende August beim Laufen einen Podcast von Crafty Ass Female. Thema: Scrapbooking and Journalism mit Gast Michelle Garcia, einer Journalistin und Redakteurin des US Senders NBC.

Ihr im August diesen Jahres in der New York Times erschienener Artikel  “Scrapbooking as an Act of radical Selfcare” stand in Zusammenhang mit der #blacklifematters Bewegung in den USA und löste eine Welle von Reaktionen aus. Anlass für ihren Artikel war ein Twitter Post vom 09. Juni durch Tazhiana Gordon. Diese lebt in Brooklyn, hatte einen schönen bunten Scrapbooking-Feed auf Instagram und sich nach den Unruhen, die dem Tod von George Floyd folgten, in genau diesem Feed politisch zur Situation geäussert. Daraufhin entfolgten ihr etliche Menschen, nicht ohne Kommentare wie: “sowas will ich hier nicht sehen” … “ich folge dir hier wegen Scrapbooking und schönen Bildern” … u.s.w.. Michelle schrieb ihren Artikel nach sorgfältiger Recherche und versuchte darin, dem Unterschied zwischen der Scrapbooking-Industrie und der Crafting Community in Bezug auf Rassismus gerecht zu werden.

Sie beschreibt, dass es für sie ein emotionaler Akt ist, sich als farbige Frau in “weißer Umgebung” wie zum Beispiel der Scrapbooking Industrie zu bewegen. Und dass diese Industrie bis zu dem Zeitpunkt eine gewisse Diversität vermissen ließ.

Ich begann nachzudenken und ja, in diesem Punkt hat sie aus meiner Sicht wirklich recht. Da ich auch schon lange in der Scrapbooking-Szene unterwegs bin, fiel es mir nicht schwer, ihre Gedanken nachzuvollziehen. Farbige Designer bei den Herstellern? Selten bis nie. Farbige Mitglieder in Design-Teams? Sehr selten. Produkte und Papiere mit Mustern für weiße Babies und weiße Menschen.

Scrapbooking war bis vor ca. 15 Jahren ein Hobby, das vorwiegend mit weißen Vorstadt-Hausfrauen mittleren Alters in Verbindung gebracht wurde. Erfreulicherweise hat sich das Image und die Community seitdem sehr verändert, mit dem enormen Wachstum der Branche verjüngte sich die Szene, wurde progressiver und moderner.

Positive Reaktionen auf die #blacklivesmatter Proteste und den Artikel von Michelle gab es umgehend von Scrapbooking-Ikonen wie Ali Edwards, Tim Holtz und Kelly Purkey. Kelly entwarf BLM Produkte wie Stempel und Journaling Cards. Aber große Hersteller und Brands wie zum Beispiel Studio Calico blieben stumm oder hatten Probleme, dieses Thema anzusprechen. Azzari Jarrett, langjährige Kundin von Studio Calico kommentierte auf deren Instagram Account in Form von: wo bleibt eure Solidarität mit farbigen Designern, Angestellten und Kunden?

Ihr Kommentar wurde von Studio Calico unkommentiert gelöscht. Allerdings nicht unbemerkt von anderen Usern, die Azzari Jarrett daraufhin öffentlich unterstützten. “Es steht jedem CEO frei, sich nicht zu #blacklivesmatter zu äussern oder Diversität in seiner Firma zu leben. Aber bewusst Menschen, die das Thema ansprechen auszugrenzen oder aktiv zum Schweigen zu bringen, das ist nicht in Ordnung”. Sowohl Michelle wie auch Azzari erfuhren darauf viel positive Unterstützung in der Scrapbooking Community, das wird im Artikel bewusst unterstrichen. Gibt es also einen Unterschied zwischen Konsumenten/Usern und Herstellern in der Industrie? Ich denke schon.

Nur weiße Embellishments, ist das Rassismus?

Jeder, der länger Scrapbooking Produkte kauft wird mir allerdings zustimmen, dass vorwiegend bildliche Darstellungen auf Ephemera und Embellishments (Zubehör) weiß sind. Hände, Köpfe, Füße und so weiter. 

Kelly Purkey hat asiatisch-amerikanische Wurzeln und ist seit 15 Jahren als Designerin in der Branche unterwegs. Nach eigener Aussage hat sie in all den Jahren nie mit farbigen Designern oder Angestellten bei großen Firmen zusammengearbeitet. 

Im Juli diesen Jahres präsentierte der größte Hersteller American Crafts sein neues Designteam. 12 weiße Frauen. Nach Protesten prominenter Etsy Seller und Crafter (wie übersetzt man bloß dieses Wort? Bastelfrauen? Hilfe! Das sagt es ja nicht aus …) wie Lydia Diaz entschuldigte sich American Crafts und entfernte das Posting aus dem Netz. Und nahm Ende Juli zwei farbige Frauen ins Design Team auf, Tazhiana Gordon und Victoria Calvin

Azzari Jarrett entwarf ihre eigenen BLM und Brown Girl Stempel. Das Feedback war großartig und die Produkte schnell ausverkauft.

Extrem lesenswert ist übrigens auch Michelles Artikel “Scrapbooking in times of Coronavirus” im Magazin Vice.

Wenn ihr den Podcast selbst hören möchtet, ist auf der Eposodenseite 141 der Link zum Hören. Ansonsten natürlich über jede Podcast App auf dem Smartphone oder Tablet.

So. Des Deutschen liebstes Wort, wenn man fertig ist oder geht. Wie findet ihr das Thema, das ich jetzt schnell in die Tasten gehauen habe? Ich hoffe, ich konnte euch ein paar Gedankenanstöße geben. Eure Meinung dazu interessiert mich natürlich sehr und ich lade euch gerne ein, in den Kommentaren darüber zu diskutieren.

Ist euch das alles schon bekannt oder jemals bewusst geworden? Ich bin so gespannt auf eure Meinung!

Alles Liebe

Barbara

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6 Comments

  • Reply Janine 20. November 2020 at 5:56

    Sehr schwieriges Thema. Und ich bin etwas zwiegespalten. Ich fand Azzari Jarrett Kollektion etwas eigenartig. Denn ich habe auf Scrapbookinprodukten noch nie Sachen wie Beautiful White Girl gelesen. Auch das einige farbige Scrapbookerinnen nach Black Lives Matter Posts entfolgt wurden, muss man auch nicht auf die rassistische Waagschale legen. Das ist weißen Personen genauso passiert. Ich kann es auch verstehen wenn Firmen sich aus politischen Diskussionen raushalten und Kommentare nicht kommentieren. Ich finde es auch falsch Firmen vorzuwerfen Sie würden nur weiße Design Teams haben, denn man weiß gar nicht ob sich überhaupt Farbige beworben haben.
    Ich bin bei allen Forderungen der Black Lives Matter Bewegung dabei, aber was unser Hobby betrifft da bin ich etwas gespalten Und finde da wird etwas übertrieben. Ich denke das hängt einfach damit zusammen dass die Mehrheit die dieses Hobby betreibt einfach weiß ist und das hat nichts mit Rassismus zu tun.

    • Reply Britta 21. November 2020 at 7:11

      Wow. Ich werde mir die ganzen Links anschauen, englischsprachige Seiten oder Podcasts sind zwar nicht so meins, dass kann ich ändern. Ich habe mir noch nie darüber Gedanken gemacht. Über Rassismus in der Bastelwelt generell oder beim Scrappen. Ich finde das Thema gut getroffen und danke Dir für den Impuls. In meinem Hintergrund öffnet sich dann auch gleich die Frage, basteln Männer auch ( egal ob Scrapbooking oder anderes) . Ich lese still bei dir mit, danke für den schönen und interessanten Blog.

  • Reply Annette Bernhardt 20. November 2020 at 8:00

    Ich habe bisher gar nicht darüber nachgedacht welche Hautfarbe andere Scrapbookerinnen oder Scrapbooker haben. Ich bin davon ausgegangen wer mag der macht und das ist gut so. Themen sind alles was uns bewegt. Aber in der Tat ist mir in diesem Jahr zum ersten Mal aufgefallen, wie selten unterschiedliche Nationalitäten in Scrapbookmaterialien wirklich sichtbar sind. Ich habe ein Papier von Pebbles bestellt auf dem Kinder im Wasser spielen. Kinder mit verschiedenen Hautfarben. Der Gedanke, dass es schwierig sein könnte, Material zu finden, welches meinen Alltag wiederspiegelt, wenn meine Haut nicht so hell wäre, wie sie ist, ist erschreckend. Noch erschreckender ist es aber, wenn Menschen die darauf aufmerksame machen, sanktioniert werden. Nachdenkliche Grüße Annette

  • Reply Marion 20. November 2020 at 12:14

    American Crafts nahm nach den Protesten übrigens nicht nur 2 schwarze Frauen ins Design-Team auf, sondern auch einen Mann und eine Muslima. Denn Rassismus und fehlende Diversität hört ja mit der bloßen Berufung zweier schwarzer Frauen noch lange nicht auf. Das Thema sitzt viel tiefer und ist viel größer… und das zu leugnen oder zu sagen wer weiß ob sich überhaupt Schwarze beworben haben zeigt, wie sehr viele trotz aller Proteste immernoch in ihrer “Heile-Welt” – Blase der White Supremacy leben…

  • Reply Elisabeth 25. November 2020 at 21:37

    Ich finde es gut, dass du Rassismus thematisierst. Ich habe die Podcastfolge von Kristin und Amanda auch gehört und fand es Augen-öffnend. Aber eher im Format: na klar. In den DT sind alle weiß, die Produkte zeigen immer weiße Haut und keine krausen Haare. Das war mir vorher nicht bewusst und mir wurden die Augen geöffnet. Ich würde mich freuen, wenn die dt. bzw. europäische Szene da auch diverser werden würden. Aber wahrscheinlich ist sie das schon, nur ich sehe das nicht und wird vielleicht/wahrscheinlich aufgrund von Rassismus auch unterdrückt.

  • Reply HirschEngelchen 27. November 2020 at 6:22

    Liebe Barbara,
    mir hat dein Beitrag gut gefallen und er hat meine Aufmerksamkeit auf ein Thema gelenkt, dessen ich mir bisher nicht wirklich bewußt war. Logisch. Ich bin ja auch weiß und nicht betroffen. Aber die Einwände finde ich berechtigt. Wenn man sich z.B. umgekehrt überlegt, es gäbe nur Abbildungen von dunkelhäutigen Menschen auf den Materialien. Das würde sich doch auch komisch anfühlen, damit Alben zu gestalten oder Karten zu versenden.
    Ich würde mich für die people of color oder andere Menschengruppen freuen, wenn sie auch die Möglichkeit erhalten, Materialien zu bekommen, mit denen sie sich repräsentiert fühlen. Ich verstehe es allerdings auch, wenn sich Hersteller aus politischen Themen heraushalten und sich nicht unbedingt öffentlich positionieren wollen. Aber man kann das bestimmt auch dezenter machen.
    Wir als Community haben nicht allzu viele Einflußmöglichkeiten. Shitstorms halte ich allerdings nicht immer für sinnvoll. Sowas eskaliert viel zu schnell. Vielleicht sollte man positive Beispiele einfach auch positiv kommentieren und somit seine Unterstützung geben.
    Danke für deinen Gedankenanstoß, liebe Barbara. Immer wieder gerne! 🙂
    Liebe Grüße vom HirschEngelchen
    Anka

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