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BeReal, der neuste Social Media Hype. Mein überraschender Selbstversuch.

15. September 2022

“Schon wieder eine neue Social Media App? Ist das vielleicht auch so ein Rohrkrepierer wie Clubhouse 2020?” So war meine Reaktion, als mir jemand aus dem Bekanntenkreis vorschlug, mich doch bei BeReal anzumelden.

Ich fragte meine Tochter. Die meinte, die aktuell gehypte Social Media App wäre eher was für Gen Z und Teenies. Aber da ich ein neugieriger Mensch bin, immer offen für Neues und schnell zu begeistern, habe ich kurz im Netz recherchiert und mir dann doch spontan einen Account angelegt. Immerhin hat die App bereits 10 Millionen tägliche Nutzer und aktuell thront BeReal auf Platz eins der am häufigsten bei Apple heruntergeladenen Anwendungen (Android gibts natürlich auch).

Ich nutze die fotobasierte in Frankreich entwickelte App BeReal jetzt seit drei Wochen und (Achtung, Spoiler!) es macht mir Spaß.

Tja, und nur gucken ist bei BeReal nicht. Das Spezielle ist, dass man nur Inhalte seiner Freunde sieht, wenn man selbst postet, ha! Ein Anti-Instagram sozusagen.

Wie funktioniert die App BeReal?

Anders als bei Instagram postet man bei BeReal nur einmal am Tag. Zu einer bestimmten Uhrzeit, die jeden Tag variiert, bekomme ich täglich eine Push-Benachrichtigung. Das kann morgens, mittags oder spätabends sein. „Du hast zwei Minuten Zeit, dein BeReal zu posten“. Am Anfang hat das bei mir Stress ausgelöst. Hilfe, ich muss schnell ein Foto hochladen!

Das Foto kann man weder vorher machen, noch bearbeiten. Es wird mit einer Dualkamera Funktion aufgenommen. So erklärt sich auch der Name: Realität, gleichzeitig vorne und hinten. Das Chaos in der Küche und das vorteilhafte Doppelkinn und die Augenringe mit der Frontkamera. Die beiden Bilder, das kleine Selfie-Bild und das Foto der Hauptkamera, werden dann als Collage in einem Bild automatisch gepostet.

Und da ist es dann vielleicht doch nicht real. Zum Fotografieren selbst habe ich nur zwei Minuten Zeit. Den Zeitpunkt, an dem ich fotografiere, kann ich aber variieren. Die Push-Benachrichtigung kann ich einfach ignorieren. Ich kann mich also entscheiden, erst später zu posten.

„BeLate“ nennt man so einen Post. In der App wird dann angezeigt, wie viel Minuten oder Stunden ich zu spät gepostet habe. Das nutze ich, wenn ich mir die z.B. die Zähne putze, total verpennt bin, Auto fahre oder sonstwie einfach nicht zeigen möchte, was ich gerade mache.

BeReal App Foto

Der Fun Factor ist eigentlich die eingeschränkte Kreativität, durch diese 2 Minuten Beschränkung lässt sich nichts Großartiges inszenieren. Oder aber etwas spontanes, besonders Witziges! Alles schon erlebt.

Und das ist genau das, was mich an Instagram inzwischen so langweilt. Beige Wohnungen, gefilterte Gesichter, Konsum ohne Ende und viel Fake. Influencer­ästhetik, die das perfekt in Szene gesetzte Leben zur Marke gerinnen lässt.  Den Kontakt und die Kommunikation mit meiner Bubble auf Instagram mag ich aber nach wie vor sehr, und das auch täglich.

Die Kontakte, die man anfangs bei BeReal hat, sind tatsächlich eher privat. Hat jemand aus der Telefonliste BeReal, wird er einem dort vorgeschlagen (so wie es auch bei Clubhouse war). Ansonsten hat man nur die Möglichkeit, den nickname in der Suchleiste einzugeben – nicht den echten Namen. Die Folge ist, dass die Kontakte meist aus dem eigenen Freundeskreis bestehen. Ich sehe, was meine Freunde machen und ich zeige meinen Freunden, was ich mache. So war in etwa auch die Idee von Instagram, bevor die App von Influencer*innen bevölkert wurde.

Zu meiner Überraschung fand ich doch tatsächlich direkt einige meiner Freund*innen auf BeReal. Zusätzlich im Feed mit Bildern der Freunde kann man auf der Discovery Page stöbern. Meistens sieht man dort öden Alltag pur, oft witzige verwackelte Bilder und Situationen. Aus aller Welt. Wie banal und langweilig der Alltag oft ist. Das ist eher die Realität, als die oft verzerrte Scheinwirklichkeit auf Instagram oder Hass, Hetze und Katastrophen auf Facebook.

Man kann in der App kommentieren und so kommunizieren. Ausserdem gibt’s witzige Real Emojis, also Reaktionen, die man mit seinem eigenen Gesicht aufnimmt.

Alle Fotos in der App werden nach 24 Stunden gelöscht, für das eigene Profil hat man die Memories, dort werden die eigenen Bilder gespeichert. Meine Memories sahen Anfang September so aus.

BeReal Memories

BeReal Fotos im Junk Journal

Und das weckte natürlich kürzlich meine Kreativität und meinen unbändigen Drang, Erinnerungen nicht nach 24 Stunden verschwinden zu lassen.

Meine sehr banalen und völlig ungestellten Alltagsfotos der ersten 10 Tage sind bereits in einem neuen Junk Journal. Es ist als Muster für den Workshop am kommenden Wochenende entstanden und eigentlich wollte ich es als reines Art Journal nutzen.

Cover Mixed Media Junk Journal BeReal

Und genau deshalb passen die unperfekten Bilder da jetzt so perfekt hinein. Beim Project Life lege ich Wert auf die Qualität der Bilder. Beim Junk Journal ist das keine Priorität, hier zählt der reine kreative und vor allen Dinge schnelle Spaß. Mein Schnappschuss Tagebuch für einige Wochen.

Mixed Media Junk Journal BeReal Tag 1

Mein erstes BeReal Foto war, wie ihr hier sehen könnt, der totale Schrott. Ich war abends Essen, es war dunkel, und ich wusste noch nichts von der Late Funktion. Hilfe, und jetzt? Wie geht das eigentlich?

Egal. Hauptsache, eine Minisekunde des täglichen Alltags festgehalten. Und wenn ich mal einen Tag nichts poste, hat es keine Konsequenzen.

Ich drucke die Fotos jetzt mit dem Instax mini Link* aus und füge vor dem Drucken die Nummer (also dieses ist Bild z.B. Bild 2) und das Datum hinzu. So entsteht eine besondere Art Tagebuch. Ohne Text, ganz ungewohnt für mich. Aber dafür habe ich ja mein Project Life.

Die letzten Bilder habe ich als Variante mit meinem Phomemo Printer ausgedruckt.

Weitere Seiten im Album sind auch schon fertig, ich zeige euch alles nach dem Workshop. Zugegeben, es ist für mich ein Prozess des Loslassens, weg von clean perfekten Scrapbookseiten. Keine erklärenden Texte. Spielerische Resteverwertung wie im Art Journal, aber mit Fotos.

Mixed Media Junk Journal BeReal Tag 2

Und mein Fazit: ich bleibe erstmal dabei

Ich habe ich die App jetzt fast einen Monat lang täglich mit Freude benutzt. Und werde das zunächst auch weiter tun. Ob es an dem blinkenden Warnzeichen und den angeblichen zwei Minuten liegt? Ist es der Kontakt zu meinen Freund*innen? Oder bin ich einfach nur neugierig? Sicher bin ich mir nicht, aber feststeht: BeReal ist zwar nicht real, kann aber süchtig machen.

BeReal fördert (bisher) in keinster Weise das Vergleichen, den Perfektionismus, das sich schlecht fühlen, das heutzutage mit anderen Social Media Platformen verbunden sein kann. Sondern zeigt, dass das Gras bei den Freunden genauso aussieht. Ganz normal, und das macht die App für mich momentan sympathisch.

Wahrscheinlich gibt es ausser mir weltweit keinen User bei BeReal, der die Fotos ausdruckt, haha!

Und ich höre schon wieder: wann soll ich das denn jetzt noch machen? Ach ne, schon wieder so ein Zeitfresser. Blah, blah … .

Zwei Minuten, sage ich nur. Und zurzeit habe ich überschaubare 5 Freunde. Auf deren Bilder freue ich mich aber jeden Tag. Wenn wir alle fast gleichzeitig unser Foto posten. Ein Gruppenerlebnis sozusagen.

Wie authentisch und aufregend ist Nichtinszenierung? So wie Instagram & Co. auch am Anfang waren? Kommt da noch mehr oder versinkt die App in einigen Wochen wieder in Bedeutungslosigkeit? Wir werden sehen.

Thema ist der Hype um die BeReal App auch aktuell bei Social Media Expertin Ann Kathrin Schmitz. In der aktuellen “Baby got Business” Podcast Folge hat sie eine Expertenrunde zu BeReal eingeladen.

Vor zwei Tagen las ich auch in der FAZ einen interessanten Artikel , “Zwei Minuten Zeit, um real zu sein”

Kennt ihr BeReal schon? Wenn ihr sogar schon Nutzer seid, könnt ihr mir gerne eine Freundschaftsanfrage über die App schicken, ich würde mich freuen! Meinen Benutzernamen seht ihr ja oben im Foto meiner Memories.

Alles Liebe

Barbara

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2 Comments

  • Reply ela 15. September 2022 at 10:03

    Danke für den Bericht! Super beschrieben und sehr interessant.
    Gefällt mir. Merke ich mir.
    Ich mag solche Trash-Bilder.
    Aber wie du schon sagst: “was soll ich denn noch alles machen?”
    Den Thermo-Drucker habe ich auch noch nicht bestellt, obwohl es mir in den Fingern juckt. Die UFOs türmen sich und die Wohnung wächst nicht mit.

    LG
    ela

  • Reply Martina 15. September 2022 at 22:01

    Interessanter Bericht. Wenn mir mal langweilig ist, kann ich es mir auch gut vorstellen.
    Danke für die Info und liebe Grüße
    Martin

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